Tel.: 06897 - 93 92 40
Noch kein Mitglied? Jetzt anmelden

Die Anzeige gegen M.

Ich erstattete Anzeige, nachdem ich erfuhr, dass M., der damalige Freund meiner Eltern, zwei junge Mädchen zu sich eingeladen hatte. Er wollte ihnen „seinen Fernseher zeigen“. Als ich dies hörte, war mir sofort klar, dass ich nun nicht mehr länger schweigen kann. Der Gedanke, dass zwei Mädchen bei ihm „eingeladen“ waren brachte mich fast um den Verstand.

Der Entschluss stand fest, nur wusste ich nicht was zu tun ist. Ich rief bei der Beratungsstelle „Nele“ in Saarbrücken an und sagte mit starkem Herzklopfen, dass ich missbraucht wurde und nun den Täter anzeigen möchte. Puh, das war schwer, aber es tat auch ein klein wenig gut. Nele nannte mir die Telefonnummer vom Landeskriminalamt und zwei Ansprechpartnerinnen.

Ich rief am 10.02.2000 beim LKA an, und fragte nach den Personen, die mir Nele genannt hatte. Leider waren beide nicht im Haus, doch ich sagte dann, dass ich bei Nele war und Anzeige erstatten wollte. Der Beamte hatte nur nach der Tatzeit gefragt, ich nannte 1991 - 1994. Ich gab dann noch meinen Namen, mein Alter, damals 21, und meinen Wohnort an. Mir wurde zugesichert, dass sich eine Beamtin mit mir in Verbindung setzten würde.

Dies geschah am nächsten Tag auch und wir einigten uns in diesem Gespräch auf Montag, den 14. Februar um meine Aussage zu machen. Dass es Valentinstag war, habe ich nicht sofort registriert... um 13:00 Uhr war es am besagten Tag soweit. Ich war sehr aufgeregt, hatte kalte Hände und Schweißausbrüche. Die Beamtin war aber sehr nett und hat mich ganz unbefangen begrüßt. So seltsam es sich vielleicht auch anhören mag: Ich habe mich bei ihr wohlgefühlt.

Als meine Aussage dann begann, ging es zuerst nur um allgemeine Dinge, ich wurde darauf hingewiesen, dass ich wegen einer falschen Beschuldigung strafrechtlich belangt werden kann und Aussageverweigerungsrecht hätte, wenn ich mich selbst belasten würde.

Ich machte dann Angaben zu dem Zeitraum, sagte, dass ich gemeinsam mit meiner Mutter überlegt hatte wann M. bei uns übernachtete. Es müsste vom Sommer 1991 bis Sommer 1994 gewesen sein.

Ich erklärte, dass M. eigentlich auf der Couch schlafen sollte, mein Bett war im Kinderzimmer. Ich sollte eine Skizze von diesem Raum malen - wenn ich daran denke, kann ich erkennen, dass ich sehr eingeschüchtert war, denn es wurde eine ziemlich kleine Zeichnung auf einem DIN A4 Blatt...

Dann äußerte ich mich zu dem Missbrauch, sagte vorher, dass ich keine Reihenfolge oder zeitliche Abfolge nennen kann. Über die Taten zu sprechen war wirklich nicht leicht, aber mir half, dass Fragen gestellt wurden auf die ich antworten konnte. Denn es ging sehr ins Detail...

Ich erzählte später vom „letzen mal“... damals drang er in mich ein... erst danach hatte ich endlich die Kraft, meine Zimmertür abzusperren. Denn selbst dazu war ich jahrelang einfach zu schwach, zu kaputt oder „gar nicht da“...

Um 14:45 Uhr wurde eine Pause gemacht, ich ging zur Toilette - richtig gespürt habe ich mich in diesem Moment aber nicht. Mein Körper kribbelte und ich fühlte mich hinter einer Nebelwand.

Um 15 Uhr ging es weiter. Ich wurde noch zu meinem freiwilligen „ersten mal“ befragt und wie es dazu kam, ihn nun endlich anzuzeigen. Sie fragte mich auch, wem ich bisher alles davon erzählte und wann dies gewesen sei.

Ich erzählte noch von dem Telefongespräch, als ich ihm sagte, dass ich nicht länger schweige und das er bei J. anrief und ihr sagte, dass er sich selbst anzeigen würde. Er wolle, für die Sache, die er getan hat „gerade“ stehen.

Ich sollte noch eine Einschätzung darüber abgeben, wie oft es zu „derartigen Vorfällen“ gekommen war. Ich gab an, dass es jedes Mal geschah, wenn er bei uns übernachtet hatte...

Die Beamtin gab mir noch ein Informationsblatt und fragte mich ob ich eine Anwältin für den Opferbeistand kennen würde, doch ich kannte damals niemanden, sie sagte dann, dass mir eine Rechtsanwältin zugeteilt wird.

Um 16:40 Uhr war es dann geschafft, meine Aussage war beendet. Ich fühlte „mich“ immer noch nicht richtig, dass Kribbeln und der Nebel blieben auch einige Zeit bestehen.

Am 04. April bekam ich Post von einer Rechtsanwältin, sie bat mich um eine Terminabsprache. Ich weiß nicht mehr, wann ich das erste mal bei ihr war, aber sonderlich wohl hatte ich mich nicht gefühlt, es lag wohl auch an den Belastungen der vorhergehenden Zeit...

Im Mai kam ein Schreiben von seinem Rechtsbeistand. Meine Aussage wurde „auseinander“ genommen und zu vielen Dingen Stellung genommen. So soll er erstmalig nach November 92 bei uns gewesen sein, da es vorher aus verschiedenen Gründen gar nicht möglich gewesen sein soll.

Das „letzte mal“ soll keine Vergewaltigung gewesen sein und „rein technisch“ auch nicht möglich gewesen sein...?

Im August erfuhr ich von diesem Schreiben, denn die Staatsanwaltschaft gab uns die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Mich regte sein Schreiben sehr auf, ich hätte platzen können... meine Wut gab mir Kraft, so das ich seiner Auslegung des Missbrauchs heftig widersprechen konnte.

Danach wurden meine Eltern und meine Schwester zur Zeugenvernehmung geladen. Meine Mutter konnte viel zu den Zeiträumen sagen, mein Vater dazu eher weniger. J. konnte einiges zu den Taten sagen, da sie damals im selben Zimmer schlief und es mitbekam.

Es passierte danach wieder nichts und ich wurde langsam ungeduldig. Ich fühlte mich auch nicht sehr gut von meiner Anwältin verstanden, hatte plötzlich das Gefühl, dass es an ihr lag, weil es nicht weiterging. Ich stand still und mein Weg ging nicht weiter.

Meine Therapeutin und mein Umfeld hatte in dieser Zeit bestimmt viel mit mir durchmachen müssen, ein liebes danke an dieser Stelle finde ich angebracht.

Im März 2001 hätte ich am liebsten alles hingeschmissen, damals bekam ich den Termin zur Verhandlung, es sollte der 15. Mai sein. Ich hatte aber seit diesem Schreiben einfach keine Kraft mehr und fühlte mich sehr alleine gelassen. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen mit meiner Anwältin vor Gericht zu gehen und sprach darüber auch mit meiner Therapeutin.

Ich weiß nicht mehr genau wie es kam, ich glaube, dass sie mir die Telefonnummer einer anderen Anwältin gab, oder sie machte sogar den ersten Termin aus? Egal wie, es kam jedenfalls im April dazu das ich zu einer anderen Anwältin ging. Schon die ganze Atmosphäre empfand ich als sehr angenehm, sie nahm sich Zeit für mich und hörte das, was ich nicht sagte, dafür aber fühlte. Ich war erleichtert, weil es auch anders gehen kann und sehr froh, dass sie das Mandat annahm.

Der Richter konnte zuerst nicht erkennen warum es so wichtig für mich war, die Anwältin zu wechseln, doch nachdem meine Anwältin ihm die Gründe genannt hatte, wurde es zugelassen. Einen Tag vor der Verhandlung hatte ich einen Termin bei meiner neuen Anwältin, wieder war es sehr beruhigend für mich und gab mir Sicherheit.

Damals bekam ich das erste mal die Anklageschrift, die schon im Januar geschrieben wurde, zu lesen.

M. wurde angeklagt, in der Zeit von Sommer 1991 bis Sommer 1992 mindestens 12 sexuelle Handlungen an mir vorgenommen zu haben. Es stand noch dabei, dass er mindestens einmal im Monat bei uns übernachtete und mich dann in meinem Bett aufsuchte, um mich zu missbrauchen.

In den wesentlichen Ergebnissen der Ermittlungen stand was ich in meiner Aussage gesagt hatte, dass „letzte mal“ stand auch dabei und das ich mich während dessen „kaum bewegt“, und auch nicht zur Wehr gesetzt hatte.

Ich verstand die Anklageschrift nicht und fragte, wieso denn nur ein Jahr angeklagt wurde, es ging doch bis 1994? Meine Anwältin erklärte mir, weil ich im Sommer 1992 14 Jahre jung wurde hätte ich mich ab da wehren müssen. Weil ich das nicht tat, ist es laut Gesetz kein Missbrauch und auch das „letzte mal“, keine Vergewaltigung gewesen.

Ich war sehr verzweifelt als ich dies hörte, wie sollte ich denn erklären, warum ich mich nicht wehrte? Dass ich davor schon jahrelangen Missbrauch durch V. erlebte und überhaupt keine Kraft mehr hatte zu „reagieren“, wusste ja noch niemand...

Also akzeptierte ich die Anklageschrift, denn ich hatte auch keine andere Wahl...

Kontakt zu uns

Du erreichst uns bei Fragen zur Registrierung, deiner Mitgliedschaft oder technischen Problemen
per E-Mail oder Telefon
06897 - 93 92 40

Soziale Medien:

Instagram Facebook YouTube Twitter

Unterstützer





Von Dada-Design erhalten wir die Texte und das Design für unseren Flyer

Webkicks.de sponsert uns die Werbefreiheit sowie Profile für den Chat



Stifter helfen - IT für Non Profits

Der Lichtweg war 2015 Stipendiat bei Startsocial